
Marktkommentar | Nr. 7 ∙ JULI 2019 | Der vorauseilende Gehorsam der Börse

Grafik 1: Kursverluste des DAX seit 1988
Die gold-eingefärbten Balken stellen die Rezessionszeiträume in Deutschland dar, und es zeigt sich das vermutete Bild. Nicht jeder starke Kursrückgang geht mit einer Rezession einher. Die heftigen Kurseinbußen in 2011 oder 1998 blieben ohne größere Folgen, während in den Zeiträumen 2000- 2003 oder auch 2008 durchaus höhere wirtschaftliche Verluste zu verzeichnen waren. Aufmerksame Leser werden den Börsencrash von 1987 vermissen. Dieser ereignete sich vor der ersten offiziellen Berechnung des DAX am 01.07.1988. Durch Rückrechnung des Index konnte aber ein Verlust von 40 % für den Zeitraum festgestellt werden. Auch dieser heftige Verlust blieb weitgehend ohne große wirtschaftliche Folgen; die erwartete Rezession blieb aus. Im marktbreiten US-Index S&P 500 sieht die Situation ähnlich aus. Auch hier wird nicht jeder große Kursrückgang von einer Rezession begleitet. Die Börse übertreibt hier ebenfalls mit ihrem „vorauseilendem Gehorsam“. Die nachfolgende Grafik zeigt die stärksten Kursrückgänge des S&P 500 seit 1987.
Grafik 2: Kursverluste des S&P 500 seit 1987
Die gold-eingefärbten Balken stellen die Rezessionszeiträume in den USA dar. Im Vergleich zur vorherigen Grafik fällt auf, dass es hier wesentlich weniger Kursrückschläge im Betrachtungszeitraum gab. So fielen die Rückgänge des S&P 500 in den Jahren 1992, 1994/95 oder auch 2006 mit unter 10 % deutlich moderater aus und werden in der obigen Grafik nicht aufgeführt. Aber auch hier gilt: Nicht jeder stärkere Rückschlag geht mit einer Rezession einher. Der „vorauseilende Gehorsam“ ist in Deutschland also etwas stärker ausgeprägt als in den USA, was aber auch an der deutlich niedrigeren Marktkapitalisierung der Unternehmen liegen dürfte. Das Phänomen gruppendynamischer Prozesse funktioniert übrigens nicht nur nach unten sondern auch nach oben. Mit anderen Worten, auch nach oben gibt es bei entsprechend positiver Konjunktureinschätzung einen „vorauseilenden Gehorsam“, der die positiven Aussichten ins Unendliche diskontiert und die Börse auf ein viel zu hohes Niveau steigen lässt. Solange die Börsen von menschlicher Psychologie getrieben sind, wird es immer wieder kuriose Kursbewegungen geben – positive wie negative.
Aus Angst vor einer möglichen Rezession hat der vorauseilende Gehorsam die Märkte im 4. Quartal 2018 auf Talfahrt geschickt. In Erwartung einer lockereren Geldpolitik und besserer Wirtschaftsdaten konnten sich die Märkte im ersten Halbjahr 2019 jedoch erholen und stehen aktuell kurz vor neuen Höchstkursen. Diese Erholung erfolgte sehr schnell und unerwartet. Kurzfristig gesehen haben die Märkte alle positiven Nachrichten diskontiert. Wir möchten an dieser Stelle nochmals auf unseren Marktkommentar Nr. 4 vom April 2019 verweisen, in dem wir auf die erhöhte Gefahr von rezessiven Tendenzen in der globalen Wirtschaft hingewiesen haben. Vom negativen Sentiment des 4. Quartals ist aktuell wenig zu spüren. Es scheint, dass der vorauseilende Gehorsam zurzeit im positiven Sinne übertreibt. Über den Sommer erwarten wir eine erhöhte Volatilität an den Aktienmärkten und haben die Ethna Fonds vorsichtig positioniert. Um die alten Höchstkurse zu überschreiten, braucht der Markt weitere Impulse. Diese erwarten wir erst gegen Jahresende. Eine Beilegung des Handelsstreits zwischen China und den USA und wirtschaftlich stimulierende Impulse durch den anlaufenden US-Wahlkampf könnten die Märkte im 4. Quartal unterstützen.
¹ https://de.wikipedia.org/wiki/Vorauseilender_Gehorsam
Gold im Fokus
Jüngst konnte beim Goldkurs ein bedeutsames Hoch beobachtet werden. Wie wir den Anstieg des Edelmetalls bewerten, welche taktischen Anpassungen dies im Portfolio des Ethna-AKTIV zur Folge hat und welche langfristige Strategie wir im Hinblick auf Gold verfolgen, erläutert Michael Blümke, Senior Portfolio Manager bei ETHENEA, in unserem neusten Video.