Zunehmende Divergenz bei den geldpolitischen Leitzinsen
Obwohl die Inflation in den meisten Industrie- und Schwellenländern nur noch leicht erhöht ist, verfolgen die Notenbanken zunehmend eine unterschiedliche Geldpolitik. Bei den Industrieländern sind die Inflationsrisiken in den USA am größten, weil wichtige Wahlversprechen von Trump wie Steuersenkungen, Importzölle und die Begrenzung der Zuwanderung den Preisdruck verstärken. Die US-Notenbank Fed verharrt deshalb vorerst im Wartemodus. Demgegenüber steuert die Schweizerische Nationalbank aufgrund der tiefen Inflation in hohem Tempo auf Nullzinsen zu, während die japanische Notenbank den Leitzins auf das höchste Niveau seit 2008 erhöht und weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt hat. In den Schwellenländern reicht das Spektrum von markanten Zinserhöhungen in Brasilien bis zu starken Zinssenkungen in Argentinien und der Türkei.
Inflation und Geldpolitik für Finanzmärkte entscheidend
In den ersten Amtstagen der neuen US-Regierung wurde die vorsichtige Vorgehensweise der neuen US-Regierung bei der Einführung von Importzöllen von den Finanzmarktteilnehmern mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen. Anderseits hat ein chinesisches Start-up mit einem KI-Modell namens DeepSeek den Wachstumsphantasien des US-Technologiesektors einen Dämpfer verpasst. Die wichtigsten Impulse dürften in Zukunft aber vor allem von Inflation und Geldpolitik ausgehen. Wir erwarten im 1. Halbjahr weitere disinflationäre Impulse in den USA. Das Wachstum in den USA bleibt solide, wird aber wahrscheinlich nicht stark genug sein, um Zinserhöhungen auszulösen. Da die Marktteilnehmer nur mit wenigen Leitzinssenkungen der Fed rechnen, gehen wir davon aus, dass die Renditen von US-Staatsanleihen und der US-Dollar begrenztes Anstiegspotenzial haben. Das dürfte auch an den Finanzmärkten für Entspannung sorgen.
Wechselbeziehung von US-Renditen, Aktien und US-Dollar
Das vergangene Jahr und auch der Januarbeginn haben exemplarisch verdeutlicht, wie eng sich der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der US-Renditen, der Aktienmärkte und des US-Dollar darstellt. Nach dem Renditehöhepunkt der 10-jährigen US-Staatsanleihen Mitte Januar hat auch der US-Dollar an Stärke eingebüßt. Gleichzeitig setzte der US-Aktienmarkt wieder zur Erholung an. Ein Anstieg der Renditen deutlich über 4,5% brachte den Aktienmarkt jeweils in Bedrängnis. Die Nachfrage nach Staatsanleihen hat sich jeweils intensiviert, bevor die Marke von 5% überschritten wurde. Dementsprechend war die Aktienmarktkorrektur jeweils von kurzer Dauer.
Nervöser Jahresauftakt
Die Staatsanleihenrenditen setzten zu Beginn des Jahres ihren Aufwärtstrend fort. Renditen zehnjähriger US-Treasuries legten in der ersten Januarhälfte um 20 Basispunkte (Bp) zu und stiegen auf 4,80%. Unterliegend wurden die Zinssenkungserwartungen an die Fed sowie auch an die anderen globalen Notenbanken zurückgeschraubt, was unter anderem auf die anhaltend guten Daten der US-Wirtschaft zurückzuführen war. Noch stärker stiegen die Verfallsrenditen auf britischen Staatsanleihen an, ohne klaren Auslöser in UK. Die Inflationszahlen Mitte Januar beruhigten die Bondinvestoren etwas. Sowohl im Vereinigten Königreich wie auch in den USA stiegen die Konsumentenpreise im Dezember weniger stark als erwartet und ließen die Renditen wieder auf das Niveau zu Beginn des Jahres sinken. Trotz der jüngsten Gegenbewegung seit Mitte Januar notieren die Renditen immer noch rund 90 Bp über dem Niveau von Mitte September, als die US-Notenbank die Zinsen zum ersten Mal gesenkt hatte. Ein solch starker Anstieg nach der ersten Fed-Zinssenkung ist außerordentlich. Diese Ausgangslage macht Anleihen wieder attraktiver, auch wenn vorerst gerade durch die neue US-Regierung eine hohe Unsicherheit vorherrscht. Denn einerseits bieten die hohen globalen Bondrenditen mittlerweile einen ansehnlichen Puffer gegenüber weiter steigenden Renditen. Andererseits wird dadurch das weitere Anstiegspotenzial bei den Renditen reduziert.
Aktien: Mehr Potenzial für Europa
Derzeit läuft die Gewinnberichtssaison für das abgelaufene Quartal. Wie von uns erwartet, überraschen die Unternehmen überwiegend positiv. Vor allem in den USA zeichnet sich erneut ein hohes Gewinnwachstum ab. Europa hinkt diesbezüglich nach wie vor hinterher. Allerdings deutet sich für die kommenden Quartale Besserung an. So haben sich die Einkaufsmanagerindizes etwas aufgehellt, und die Stimuli in China lassen auf eine wieder höhere Nachfrage nach europäischen Gütern hoffen. Ähnliche Aufhellungen gab es aber bereits im Frühjahr 2024. Damals erwiesen sie sich jedoch als nicht nachhaltig. Die Gewinnerwartungen besserten sich zwar; die konjunkturelle Erholung blieb aber hinter den Erwartungen zurück und das Gewinnbild verschlechterte sich wieder. Dieses Risiko existiert auch jetzt, zumal noch unklar ist, ob und inwieweit die angedrohten US-Zölle auch Europa treffen oder wie die wirtschaftspolitischen Impulse der noch zu wählenden neuen Regierung in Deutschland aussehen werden. Dennoch besteht die Chance auf wieder mehr Potenzial für europäische Aktien. Dabei erachten wir den Schweizer Markt als attraktiver als den der Eurozone. Denn er weist trotz seiner defensiveren Sektorstruktur ein höheres Gewinnwachstum auf.
Ein Weckruf aus China
Das chinesische Unternehmen DeepSeek hat mit seinem Large Language Model für Unruhe auf dem amerikanischen Aktienmarkt gesorgt. Es zeigt, dass es offenbar möglich ist, mit weniger und günstigeren Chips konkurrenzfähige KI-Modelle zu trainieren. Was dies langfristig für den US-Technologiesektor rund um den Chiphersteller NVIDIA bedeutet, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Die Entwicklung zeigt jedoch die hohe Abhängigkeit des US-Aktienmarkts vom Technologiesektor, der maßgeblich zur hohen Bewertung des Gesamtindex beiträgt. Der IT-Sektor, der aktuell ein Drittel des MSCI USA ausmacht, zieht mit einem Forward-KGV von 29,6 die Bewertung des Gesamtindex deutlich nach oben. Diese hohe Bewertung erhöht naturgemäß die Anfälligkeit für Enttäuschungen.
Unterstützung für den breiten Markt
Gleichzeitig zeigt sich der übrige US-Markt zu Jahresbeginn robust. Der breite Index profitiert von der anhaltend starken US-Konjunktur. So schätzt „Atlanta Fed“ das aktuelle reale BIP-Wachstum der US Wirtschaft auf über 3% pro Jahr. Hinzu kommen die vom neuen Präsidenten geschürten Hoffnungen auf Deregulierung und Steuersenkungen. In diesem Umfeld konnten sich vor allem zyklische Sektoren wieder in den Vordergrund spielen. Allen voran die US-Banken, die von der steileren US-Zinsstrukturkurve unterstützt werden. Die großen US-Banken haben bereits alle ihre Zahlen für das 4. Quartal vorgelegt und dabei die Gewinnerwartungen der Analysten um durchschnittlich 12% übertroffen. Auch aus den konsumnahen Sektoren kamen in der bisherigen Berichtssaison überwiegend positive Nachrichten, wie zum Beispiel von den Kreuzfahrtgesellschaften Carnival und Royal Caribbean, die auf eine anhaltend hohe Konsumbereitschaft in den USA hindeuten. Vor diesem Hintergrund erscheint es uns lohnend, ein breites Engagement am US-Aktienmarkt anzustreben: sei es über eine Beimischung von Small Caps oder über ein Investment in den S&P 500 Equal Weight Index. Denn dieser gewichtet nicht nur jedes Unternehmen im Index gleich, sondern weist auch ein deutlich ausgeglicheneres Sektorexposure auf.