
Interview: “Der Preis allein ist für uns kein Kriterium”
Man muss das präzisieren. Es ist nicht so, dass es schwierig ist, attraktive Unternehmen zu finden. Ich würde sagen, eher im Gegenteil. Die Unternehmen sind da, wir haben einige interessante Namen auf unserer Watchlist. Was uns aber zurückhaltend agieren lässt, ist der Preis. Der Mangel an Alternativen hat die Bewertungen vieler Aktien nach oben getrieben. Da liegt die Herausforderung, auch bei Warren Buffett. Ich sehe das allerdings weniger als Problem, denn Geduld und das Warten auf den richtigen Moment gehören beim langfristigen Investieren dazu.
Als Value-Investor investieren Sie mit einer Sicherheitsmarge, einem möglichst hohen Abstand zum inneren Wert einer Aktie. Die hohen Bewertungen drücken also auf diese Marge?
Die Sicherheitsmarge ist neben dem wirtschaftlichen Burggraben, dem «economic moat», über den unsere Unternehmen verfügen sollten und der Führung durch den Eigentümer eines der drei Kernelemente unserer Value-Philosophie. Die klassische Value-Aktie nach den Kriterien von Benjamin Graham hat vielleicht nur einen kleinen Burggraben, aber sie ist vor allem günstig und bietet eine hohe Sicherheitsmarge. Graham selber hat die Sicherheitsmarge bei rund 33 Prozent angesetzt, sie dient als Puffer gegen Kursrückschläge. Aktien, die aktuell eine Sicherheitsmarge bieten, sind beispielsweise eine Freenet AG mit einer wunderbaren Dividendenrendite, oder eine Metro, bei der sich die Bilanz durch die Verkäufe von Immobilien und anderen Werten verbessern lässt. Wenn in vergleichbaren Fällen auch unsere übrigen Kriterien erfüllt sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir in diese Titel investieren, hoch.
Daneben gibt es Unternehmen, bei denen die gute Qualität eine niedrige Sicherheitsmarge rechtfertigt. Wir nennen das «growth at a reasonable value». Unternehmen wie Ryman Healthcare, Alibaba oder Alphabet zeichnen sich durch ein erhöhtes Umsatzwachstum und eine starke Preissetzungsmacht aus, haben aber auch ein höheres Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Auch hier müssen dann die weiteren Kriterien erfüllt werden, es hängt also immer vom einzelnen Unternehmen in seiner Gesamtheit ab.
Das hohe Kursniveau dürfte nicht anhalten, wir haben in den vergangenen Tagen erste Erschütterungen gesehen. Das sollte doch Chancen schaffen?
Die Frage ist wann. Das konjunkturelle Umfeld trübt sich in Folge des Handelskonflikts zwischen den USA und China stark ein. Der Welthandel ist so stark eingebrochen wie zuletzt in den Rezessionsphasen Anfang der 2000er Jahre und nach der Finanzkrise. Die Einkaufsmanagerindizes des verarbeitenden Gewerbes haben den Rückwärtsgang eingelegt. Das zweite Quartal 2019 hat uns die schwächste Berichtssaison seit langem beschert. Das sind alles Faktoren, die für eine Korrektur am Aktienmarkt sprechen.
Auf der anderen Seite haben wir aber die Notenbanken. Die Fed senkt möglicherweise die Zinsen weiter, die EZB begibt neue TLTROs, senkt wahrscheinlich den Einlagensatz abermals und nimmt womöglich auch die Käufe von Anleihen wieder auf. In Deutschland wird über die Ausweitung von Negativzinsen der Geschäftsbanken diskutiert. Das macht Aktien aus Investorensicht grundsätzlich attraktiver. Nicht zuletzt sollte US-Präsident Trump, der in den vergangenen Monaten einer der grössten Unsicherheitsfaktoren für die Börsen war, mit Blick auf seine Wiederwahl eigentlich ein grosses Interesse daran haben, das der Handelskonflikt nicht weiter eskaliert. Auch das wäre für die Aktienmärkte eine Unterstützung. Die Frage ist jetzt, welches Szenario sich durchsetzt. Bis das Bild klarer wird, ist unserer Ansicht nach Vorsicht geboten.
Wie positionieren Sie sich in diesem Umfeld?
Bei uns kommt noch der eine oder andere Sonderfaktor hinzu. Unsere DNA liegt von Haus aus bei deutschen und europäischen Value-Nebenwerten. Dieses Segment hat seit Mitte vergangenen Jahres deutlich schwächer performed als etwa Standard- oder gar Growth-Werte aus den USA. Wir haben deshalb in den vergangenen Monaten unseren Blickwinkel verbreitert und zum einen ausgewählte Large Caps hinzugefügt, gleichzeitig den geographischen Horizont auf Länder wie die USA, Kanada oder Neuseeland ausgeweitet. Ryman Healthcare ist dafür ein Beispiel. Das Unternehmen betreibt Senioren-Residenzen und Altenpflegeheime in Neuseeland und nun auch in Australien. Rymann Healthcare hat eine einzigartige Kultur und geniesst in der Branche einen hervorragenden Ruf. Entsprechend lang sind die Wartelisten. Die Gewinne wachsen mit 15 Prozent pro Jahr. Wenn dann eine hinreichende Sicherheitsmarge gegeben ist, sind das typische Unternehmen, die wir suchen.
Aktuell sind wir allerdings eher zurückhaltend positioniert, da wir aus unseren Indikatoren heraus entsprechende Warnsignale bekommen haben. Die hohe Cash-Quote resultiert unter anderem daraus, dass wir im Lauf der vergangenen Monate Positionen aufgelöst haben, die ihre Zielkurse erreicht hatten. Jetzt dient sie uns als Puffer gegen Rückschläge, gleichzeitig wollen wir natürlich auch unser Pulver trocken halten. Denn wie eingangs gesagt, haben wir einige interessante Unternehmen im Fokus. Wenn deren Kurse wieder auf ein attraktives Niveau zurückgehen, kaufen wir.
Interview mit Fundplat | 13. August 2019
Frank Fischer | CEO & CIO, Shareholder Value Management AG | www.shareholdervalue.de
https://fundspec.com/ch/interview/der-preis-allein-ist-fuer-uns-kein-kriterium/